Und so lang du das nicht hast,
Dieses Stirb und werde!
Bist Du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Biographiearbeit gibt es seit Mitte der 70er Jahre. Sie wurde inspiriert durch das Menschenbild der von Rudolf Steiner gegründeten Anthroposophie und der daraus abgeleiteten ‘moralischen Technik‘ von Bernard Lievegoed.
Wir leben in einer Zeit, in der sich herkömmliche soziale Bezugssysteme zunehmend auflösen. Eine immer größer werdende Anzahl von Menschen sieht sich irgendwann in ihrem Leben konfrontiert mit dem Gefühl von Sinnverlust, dem Verlust an lebendigen Beziehungen und dem Verlust an Lebenswillen und der Liebe zum Leben schlechthin. Dahinter verbirgt sich die Sehnsucht nach einer neuen Bewusstseinsebene, von der aus wir unsere eigene Identität, von innen heraus und nicht auf äußere Autoritäten gegründet, definieren lernen.
Bei der Suche nach der eigenen Wahrheit gibt es eine enge Verbindung zwischen Therapie und Individualitätsentwicklung. Biographieberatung arbeitet mit dieser Grenze.
Sie möchte Menschen dabei helfen, die Sprache ihrer eigenen Lebensgeschichte lesen zu lernen durch das Erkennen von allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten im menschlichen Lebenslauf und dem Ergreifen von eigenen Lebensaufgaben.
Biographieberatung arbeitet mit der persönlichen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wobei die Vergangenheit und Zukunft als weit über das jetzige Leben gehend begriffen werden.
Dabei gilt es zum Erforscher des eigenen Lebens zu werden, der es lernt, sich selbst als objektiver Zeuge des Erlebten gegenüber zu treten und der sich, aus einer staunend interessierten Fragehaltung heraus, Zugang zu einem tieferen Erfassen der eigenen Lebensrealität verschafft. So gewonnene Einsichten setzen schöpferische Kräfte frei, die Zugang zu einem neuen kreativen Potential bei der Bewältigung der eigenen Lebensfragen geben.
Von alters her kennt man diese verschiedenen Phasen; sie werden als Frühling, Sommer und Herbst bezeichnet. Ein Gärtner, der die Jahreszeiten gut kennt, weiß, wann er dieses oder jenes säen muß und wann er es ernten kann. Auch der Mensch, der von den Lebensphasen ein Bewusstsein hat, wird wie der gute Gärtner nicht ernten wollen, bevor der Baum nicht gewachsen ist und geblüht hat. Im Frühling sind alle Pflanzen noch im Keimen und benötigen viel Kraft zum Wachsen. Im Sommer breiten sich die Pflanzen in der Natur ganz aus, und im Herbst reifen die Früchte und bringen Samen. Im Winter dann ruhen die Samen in der Erde und warten auf neues Leben.
Wenn wir das menschliche Leben in zwei Hälften teilten, könnten wir sagen: Bis etwa zum 35. Lebensjahr ist alles auf Vorbereitung eingestellt - es ist wie ein großes Einatmen. Der Körper atmet seine geistige Individualität ein. Diesen Prozess können wir als Inkarnation bezeichnen.
Ab dem 35. Lebensjahr ist alles stärker auf Geben eingestellt - wir geben dem Leben und den Menschen, die uns umgeben, dasjenige, was wir empfangen haben, und machen es für die Welt fruchtbar. Das große Ausatmen beginnt. Die jetzige Entwicklung lässt sich als ein Prozess der Exkarnation charakterisieren.
Man kann die menschliche Biographie auch mit einem Tagesrhythmus vergleichen. Wir kommen aus dem Schlaf, wir wachen langsam auf, wir öffnen uns der Welt, wir müssen unseren Körper erst anwärmen, damit wir völlig in ihm sind und ihn ganz beherrschen - so wie sich ein Musiker erst einspielen muß, bevor er sein Instrument ganz beherrscht und er ihm die schönsten Töne entlocken kann. Oder wie der Sportler, der sich auch erst anwärmt, bevor er an einem Wettbewerb teilnimmt. Dann kommen die produktiven Stunden des Tages, gleich den produktivsten Jahren im Leben der mittleren Phase. Abends ziehen wir uns langsam von unserem Körper zurück, wir werden müde, bis wir in den Schlaf übergehen - oder in der Biographie in den Tod.
In der Mitte unseres Lebens findet sozusagen eine Umkehrung der Werte statt. Wir haben vorher Wissen von außen eingesogen, in uns eindringen lassen, und geben diese empfangenen Werte nun in umgewandelter, in geläuterter Form wieder als Weisheit nach außen, an unsere Umwelt, zurück.
Man erlebt oft, dass ein kleines Kind von einer Art "Aura" umgeben wird. Es begegnet der Welt ganz unschuldig und wie verzaubert. Bei manchen älteren Menschen dagegen erleben wir - wenn dieser Mensch eine innere geistige Zufriedenheit und Ausgeglichenheit besitzt - ein Strahlen, ein Leuchten, das von innen heraus kommt. Dasjenige also, was außen war, wird am Ende des menschlichen Lebens von innen heraus ergriffen.
(Gudrun Burkhard)
Dichter und Philosophen haben den Schlaf den „kleinen Bruder des Todes“ genannt. Der Schlaf-Wach-Rhythmus wiederholt die Geburt und den Tod des Menschen im Tagesmaßstab und ist insofern ein Gleichnis für die mehrmaligen Lebenszyklen des Menschen.
"Wenn man daher an jemanden die Frage stellt: Ja, wo ist er denn, wenn er schläft? - dann muss man sagen: Er ist eigentlich in seinem vorirdischen Dasein oder sogar zurückgekehrt zu früheren Erdenleben. - Populär ausgedrückt sagt man eben: Der Mensch ist außerhalb seines physischen und seines Ätherleibes. Das Reale dazu ist das, was ich Ihnen auseinandergesetzt habe. Das ist, was sich darstellt als der rhythmische Wechselzustand zwischen Wachen und Schlafen." (Rudolf Steiner: GA 234, S. 107f)
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse
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Biographiearbeit erfüllt drei Aufgaben: - Der erste Blick in die Vergangenheit dient der Lebensbilanzierung. - Der zweite Blick in die Gegenwart dient der Lebensbewältigung bzw. der Lebensbegleitung. - Der dritte Blick in die Zukunft dient der Lebensplanung. Biographiearbeit ist Arbeit an den eigenen Lebensspuren. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Darstellung des eigenen Lebens oft wenig mit der Realität zu tun hat. Filter blenden Unerwünschtes häufig aus.
Menschen kreieren ihre eigene Wirklichkeit. Erinnern ist somit keine objektive Beschreibung der Vergangenheit, sondern eine konstruierte, für den Einzelnen tragbare Wirklichkeit. Aus diesem Grund ist jede Biographiearbeit fragmentarisch. Der Erzählende entscheidet selbst, was er preisgibt. Daher ist weder Widerspruch noch Korrektur oder „Wahrheitsliebe“ notwendig.
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Die §§ 97 und 98
§ 97 Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.
§ 98 Anspruch auf Vernichtung, Rückruf und Überlassung
(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Vorrichtungen anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Vervielfältigungsstücke gedient haben.
(2) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf von rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücken oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden.