Hintergründe der Psychosozialen Kunsttherapie

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„Psychologie und Kunst – diese beiden können als der Vater und die Mutter der Kunsttherapie bezeichnet werden. Meine eigene Meinung ist, daß die Künste an erster Stelle eine kognitive Funktion, d.h. erkennende Aufgabe erfüllen. Indem Kunst zeigt, was sie für den Geist kranker Menschen tun kann, erinnert sie uns daran, wozu sie für jeden von uns da ist.“

 

Diese Aussage des amerikanischen Kunstpsychologen Rudolf Arnheim beantwortet die Frage nach den Möglichkeiten der Kunst. Der Einsatz kreativer Arbeitsweisen hat sich im Klinik- und Pädagogikbereich als eigenständige Profession bewährt.

 

Genau betrachtet ist jede Psychotherapie ein kreativer Prozeß, der sich von einer einseitigen, abhängigen Relation zwischen Therapeut und Klient in Richtung auf wechselseitige Begegnung entwickelt.

Der Therapeut lässt sich als Person auf die Begegnung mit dem Klienten ein, den er gleichfalls als Person in den Blick nimmt, und tritt damit selbst in einen Prozeß der Veränderung ein.

 

Die kreativen Methoden unterscheidet sich von anderen Methoden der Therapie dadurch, dass zu der Beziehung Patient – Therapeut ein Drittes hinzutritt: das künstlerische Medium. Daraus ergibt sich zwischen den Beziehungspunkten Patient – Therapeut – Medium ein Beziehungsdreieck, das als kunsttherapeutische Triade bezeichnet wird. Damit spielen bei der Anwendung kreativer Methoden drei Ebenen und ihre Beziehung zueinander eine Rolle: das Gestalten am Werk, die Beziehung zwischen Therapeuten und Patient sowie die Betrachtung des Werkes und seine Wirkung.

 

Ihre künstlerische, wissenschaftliche bzw. geisteswissenschaftliche Begründung finden die Methoden der Psychosozialen Kunsttherapie in unterschiedlichen Verfahren, die sich aus verschiedenen psychologischen Ansätzen und künstlerischen Arbeitsweisen ableiten. Sie können auf den Axiomen (Grundannahmen und den damit verbundenen Menschenbildern) des psychodynamischen Ansatzes (Psychoanalyse und Tiefenpsychologie), des behavioristischen Ansatzes (dem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz), des humanistischen Ansatzes, sowie dem Ansatz der anthropologischen Erkenntniswissenschaften wie Anthroposophie erfolgen.

 

Auch hier gilt: „Es geht darum, dass das Potential des Menschen durch die aktive Betätigung seiner physischen, affektiven und intellektuellen Kräfte zum Ausdruck kommt. In diesem Prozeß, das zu werden, was er potentiell ist, bringt der Mensch seine Energien auf die adäquateste Weise zum Ausdruck. Kann er sein Selbst nicht ausdrücken, so leidet er, ist passiv und wird krank.”

 (Erich Fromm, dtsch.-amerik. Psychoanalytiker)

 

Hintergründe der Psychosozialen Kunsttherapie (IFKTP)®

Mit dem Thesenpapier zur Psychosozialen Kunsttherapie von Alexander B. Schadow, begann die Ausarbeitung des Curriculums für den Studiengang Psychosoziale Kunsttherapie (IFKTP)® unter Mitwirkung von Univ.-Prof. Klaus Matthies und Dr. phil. Dr. sc. habil. Henning Müller. Demnach ist Psychosoziale Kunsttherapie ein am Arbeitsfeld und Klienten bzw. Patienten orientiertes, eklektisches kunsttherapeutisches Verfahren. Sie steht für eine integrative (Ansätze unterschiedlicher Therapieschulen zusammenfassende), interdisziplinäre (fächerübergreifende Verbindung von Psychologie, Medizin, Pädagogik, Ästhetik und Kunst), interkulturelle (Kulturen übergreifende) Orientierung). Sie therapiert psychosozial, d. h. auf psychische und soziale Ursachen zurückgehende Konflikte und Störungen durch die Anwendung künstlerischer Medien, wie Malerei, Schreiben, Lesen, Spielen, Plastizieren, grafische Gestaltung, Musik und Bewegung u. a. Im Mittelpunkt der Therapie steht allein das Interesse des Patienten.“

 

Ausgehend von der Überzeugung, daß Kunsttherapie nicht primär als Behandlungsmethodik aufzufassen ist, sondern sich in unterschiedliche Handlungsweisen ausbildet, die ästhetische, didaktische, soziale und kurative Motive miteinander verknüpfen, liegt die Aufgabe von Psychosozialen Kunsttherapeuten wesentlich darin, künstlerische Selbsterfahrungsprozesse und Heilungsprozesse anzuregen bzw. in ihrem Leiden zu begleiten.

 

„Kunstwerke geben uns die Möglichkeit, zutiefst bei sich zu sein und uns zu erinnern.“, so Klaus Matthies. Kunstwerke helfen uns Patienten zu motivieren in aporetischen Herausforderung (in existentiellen Krisen), ihre Fantasie und ihr Streben anzuregen (zu aktivieren) und selber die Probleme zu lösen, und nicht in Hilflosigkeit zu versinken, weil das Problem selbst unlogisch ist [beziehungsweise erscheint]. Es besteht bei der Aporie eine begriffliche Verwandtschaft zu Aposiopese (sprich Apo-si-o-pese) [ griechisch, „das Verstummen“] Abbrechen mitten im Satz.

 

Die Qualifikation in Psychosozialer Kunsttherapie (IFKTP) befähigt zur Aufnahme einer künstlerisch-therapeutischen Tätigkeit in klinischen bzw. therapeutischen Einrichtungen in Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychotherapeuten. Die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Psychosozialer Kunsttherapeut (IFKTP) ist nach erfolgter Ausbildung, Einreichung der Abschlussarbeit und der Zertifizierung durch den Berufsverband gestattet. Die Tätigkeitsbezeichnung Psychosoziale Kunsttherapie (IFKTP)® und die Berufsbezeichnung Psychosozialer Kunsttherapeut (IFKTP)® ist zugunsten des VDKT markenrechtlich geschützt und darf ausschließlich von zertifizierten und graduierten Mitgliedern des Verbandes Deutscher Kunsttherapeuten VDKT geführt werden. Zertifizierte Mitglieder üben die Psychosoziale Kunsttherapie (IFKTP)® nach Maßgabe des Berufsverbandes aus und unterstellen sich der Fachaufsicht durch den Berufsverband. Ihre Berufsbezeichnung lautet Psychosozialer Kunsttherapeut (IFKTP).

 

Die eigenständige Behandlung psychosomatischer Krankheiten und die Ausübung der psychotherapeutischen Heilkunde nach dem Psychotherapeutengesetz sind mit einer Approbation oder der Zulassung als Heilpraktiker nach dem Heilpraktikergesetz HeilPrG bzw. die Zulassung als Heilpraktiker - beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie - nach dem Heilpraktikergesetz HeilPrG verbunden. 

 

Anwendung und Praxis der Psychosozialen Kunsttherapie

In der Psychosozialen Kunsttherapie wird mit den verschiedensten psychotherapeutischen und pädagogischen Verfahren, kunsttherapeutischen Methoden und künstlerischen Materialien gearbeitet. Jedes Verfahren, jede Methode und jedes Material ist anders, stellt bestimmte Erwartungen, ruft individuelle Reaktionen hervor und verlangt eine besondere Arbeitsweise. Tusche, Pastell oder Ton wollen jeweils anders bearbeitet bzw. verarbeitet werden. Durch die Bearbeitung wird das Material verändert. Das Bearbeiten und das Ergebnis sagen etwas darüber aus, wie man die Welt und sich selbst sieht und begegnet. Ressourcen können so wieder wahrgenommen oder Abläufe des Alltags strukturiert werden.

 

Das künstlerische Ergebnis kann auch ein Spiegel dafür sein, wie man sein eigenes Leben erlebt und gestaltet. Darin lassen sich häufig Spuren von bisher Unbewusstem und Unbekanntem entdecken. Beim bildnerischen Gestalten und im Gespräch entwickeln sich Selbstvertrauen, Strukturen und neue Sichtweisen. So wird Genesung ermöglicht, aber auch die Akzeptanz des Unvermeidlichen gestützt.

 

Im Gegensatz zur Ergotherapie die auch kreative Medien zur Beschäftigung und Rehabilitation motorischer und psychomotorischer Fähigkeiten der Patienten nutzt, trägt die Psychosoziale Kunsttherapie zur Ich-Stützung und Ich-Stärkung bei und führt so zu einem somatischen, psychischen und

intellektuellen Gleichgewicht.

 

Psychosoziale Kunsttherapie hilft bei der Ausdrucksmöglichkeit und Ausdrucksgestaltung, trägt zur Klärung psychischer Prozesse und zur Ich-Stützung bzw. Ich-Stärkung bei.

In der Weiterbildung Psychosoziale Kunsttherapie (IFKTP)® werden kreative Ausdrucks- und Erlebnismöglichkeiten der künstlerischen Therapie mit psychologischen Gesprächs- und Beratungsmethoden, heilkundlichen Arbeitsweisen sowie pädagogischer Empirie verknüpft.

 

Psychosoziale Kunsttherapie (IFKTP)® ist ein künstlerischer Prozeß mit erlebniszentriertem, erzieherischem, kathartischem und kurativem Charakter, der dazu beiträgt, das gesellschaftliche Leben humaner zu gestalten.

 

Sie kann Krisenintervention und Konfliktlösung sein, ein künstlerischer und psychosozialer Prozeß zugleich, zur Aufarbeitung biographischer Probleme und Überwindung sozialer Konflikte. Dies hat auch der Gesetzgeber in der Formulierung des sogenannten Psychotherapeutengesetzes PsychThG berücksichtigt, wenn er im Paragraphen § 1, Abs. 3 zur Berufsausübung schreibt: Zur Ausübung von Psychotherapie gehören nicht psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben.“ 

 

Der Kommentar nach Meyer, A.-E./Richter, R./Grave, K./Schulenburg, J./ Graf v.d./Schulte, B., a.a.O. führt hierzu aus: Beratung ist begrenzt auf konkrete Ratschläge und die psychologische Führung und Formung bei persönlichen Schwierigkeiten, Erziehungsfragen, wichtigen Entscheidungen mit dem Ziel, dem Klienten zu helfen, unerwünschte, aber typi­sche Variationen des Menschseins zu bewältigen. Methoden der Beratung sind das Beratungsgespräch, Anhören und Befragen, Veranschaulichen und Informie­ren. Beratung ist nicht erlaubnispflichtig.

 

Das Konzept der Psychosozialen Kunsttherapie (IFKTP)® basiert auf dem Wissen von künstlerischen Gestaltungsprozessen, Methoden der psychologischen Beratung sowie psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten . Die Kunst steht in ihrer sinnstiftenden und sozialen Vielfalt im Mittelpunkt dieses Bildungsprozesses. Die Weiterbildung erfolgt nach dem ASCOL-Curriculum Psychosozialen Kunsttherapie.